Warum die musikalische Mitmach-Webseite für Kinder und Jugendliche abgeschaltet ist und ihr über 1000 Artikel rund ums Musiktheater nicht mehr sehen könnt:
Die Reiss-Engelhorn-Museen haben uns und 49 andere wegen der Nutzung eines Portraits von Richard Wagner abgemahnt. Sie wollen von jedem Nutzer 850 Euro. 200 Euro für das Museum, 650 Euro für die Anwälte. Das 1862 von Cäsar Willich in Öl gemalte Wagnerbild haben wir als gemeinfreies Werk auf Wikipedia/Wikimedia gefunden und in einem Artikel über das gemeinsame Geburtsjahr von Wagner und Verdi genutzt. Obwohl die Reiss-Engelhorn-Museen mittlerweise auch Wikipedia/Wikimedia verklagt haben, könnt ihr das Gemälde dort immer noch bewundern, denn Wikipedia/Wikimedia meint, das Werk sollte, ja muss für alle frei nutzbar sein: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Richard_Wagner_by_Caesar_Willich_ca_1862.jpg
Gemeinfrei bedeutet, dass niemand (mehr) die Rechte an dem Kunstwerk hat. Das heißt, dass alle dieses Werk bzw. dessen Abbildung frei nutzen dürfen. In Deutschland ist das 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers der Fall. Cäsar Willich ist 1886 gestorben – also schon vor mehr als 100 Jahren.
Nun steht natürlich nicht das Ölgemälde im Internet sondern eine Fotografie. Diese ist jünger als 70 Jahre. Die Reiss-Engelhorn-Museen beanspruchen die Rechte an der Fotografie für sich. Und das obwohl der Fotograf mit Steuergeldern bezahlt worden ist und auch die Museen mit Steuergeldern finanziert werden. Zum einen finden wir, dass die Steuerzahler, die das Foto bezahlt haben und das Museum finanzieren, das Recht haben sollten, das reproduzierte Werk zu nutzen. Wir alle sind Steuerzahler. Im Grunde haben wir das Foto bezahlt. Also sollten wir es auch nutzen dürfen. (So wird das z.B. in den USA gehandhabt.) Zum anderen finden wir, dass eine Fotografie, die ein Kunstwerk originalgetreu wiedergibt, selber kein Kunstwerk sein kann sondern eine Kopie ist.
Das sehen leider nicht alle so. Daher stellt sich Wikipedia/Wikimedia auch der Klage der Museen. Wir hoffen, dass dieser Streit auch in Deutschland so entschieden wird, wie er in Großbritannien bereits entschieden worden ist. Dort hat Wikipedia/Wikimedia gegen die Tate Gallery in einem ähnlichen Fall gewonnen. Wir hoffen sehr, dass Wikipedia/Wikimedia diesen Prozess in allen Instanzen durchzieht und gewinnt. Es sollte endlich Schluss sein mit der Verlängerung von Schutzrechten durch die Hintertür.
Auch in unserem Fall ist es nicht bei einer 850 Euro teuren Abmahnung geblieben. Die Reiss-Engelhorn-Museen haben uns – die Betreiber der kleinen, gemeinnützigen Kindermitmachwebseite Musical&Co - verklagt. Einer anderen Kindewebseite wurde eine einstweilige Verfügung zugestellt und musste dagegen anwaltlich vorgehen. Viele andere gemeinnützige bzw. nicht kommerzielle Nutzer mussten sich gerichtlich und außergerichtlich streiten – oder aber die Abmahnung bezahlen.
Wir haben keine finanziellen Rücklagen und konnten uns keinen langen Prozess leisten. Das Amtsgericht Charlottenburg hat zu einem Vergleich geraten und wir haben zugestimmt. Statt der ursprünglich geforderten 850 Euro hat uns der ganze „Spaß“ 801,97 Euro und viel Zeit und Nerven gekostet. Es ist dabei überhaupt kein Trost, dass die gegnerischen Anwälte und das Museum „nur“ 400 Euro bekommen haben. In solchen Auseinandersetzungen verlieren alle:
Warum Musical&Co abgeschaltet bleibt: Wir haben Angst. Wir sind extrem verunsichert.
Solange nicht geklärt ist, dass Fotografien von gemeinfreien Gemälden auch gemeinfrei sind, kann uns und allen anderen Internetseiten Betreibern jederzeit eine Abmahnung ins Haus flattern. Jedes strittige Bild kann um die 1000 Euro teuer werden. Das macht uns Angst.
Unsere Mitmach-Webseite für Kinder und Jugendliche war kostenlos und werbefrei. Wir haben sie 2010 mit einer Förderung von EIN NETZ FÜR KINDER aufbauen können. Seit 2013 haben wir alles selber finanziert und keine Einnahmen gehabt. Kinder und Jugendliche konnten als junge Reporter Musiktheaterveranstaltungen besuchen und darüber berichten. Junge, neue Musicals konnten sich vorstellen. Erwachsene Experten schieben Wissenswertes und Interessantes für ein junges, musikinteressiertes Publikum. Wir haben das alles gerne ohne Honorar unterstützt und auch die Fixkosten getragen. Was wir nicht tragen können ist das Risiko, dass jeder Fehler – oder auch nur vermeintliche Fehler – in die Hunderte bzw. Tausende geht.
Was brauchen wir, um das Mitmach-Webportal Musical&Co wieder zu eröffnen? KNOW HOW und/oder GELD, am besten beides.
Wenn Ihr Ideen, Anregungen oder Fragen habt, sprecht uns gerne an.
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Gabriele Sindler
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Die Musical&Co Evergeen gUG (haftungsbeschränkt) ist als gemeinnützig anerkannt. Spendenquittungen werden ab einem Betrag von 200€ ausgestellt, davor gilt der Überweisungsbeleg als Steuernachweis.